Krieg in der Ukraine - Fledermäuse als Kollateralschaden

Seit anderthalb Jahren tobt der Invasionskrieg in der Ukraine und nach wie vor erreichen uns schreckliche Bilder der Zerstörung. Die zerstörten Häuser sind dabei nicht nur eine Gefahr für ihre menschlichen Bewohner*innen, sondern auch für gebäudenutzende Tiere wie z. B. der Grosse Abendsegler (Nyctalus noctula).

Bereits ‘leichte’ Schäden wie durch Druckwellen beschädigte Fensterscheiben können zur tödlichen Falle werden. Die Tiere schlüpfen in den vermeintlich sicheren Spalt zwischen den Scheiben, doch der Platz zum Herausfliegen ist zu klein und die Oberfläche zum Herausklettern zu glatt. In anderen Fällen schlüpfen die Tiere durch die neuen Öffnungen noch weiter ins Gebäudeinnere, können diesen Zugang aber von dieser Seite nicht mehr anfliegen.
Kommt ein Tier, meist ein unerfahrenes Jungtier, in die missliche Lage, kann es durch seine Rufe weitere Artgenossen anlocken. Wenn sich viele Tiere im Spätsommer und Herbst zum sogenannten Schwärmen versammeln, können so innert kürzester Zeit grosse Gruppen in die Falle gelockt werden.
In kriegsverschonten Gebieten, wie auch bei uns in der Schweiz, sind es vor allem gekippte Fenster sowie glattwandige Gefässe wie ungedeckte Regentonnen und Giesskannen, die zu solchen Fallen werden. So war dieses Phänomen in der Ukraine auch früher schon ein Problem, doch durch die grosse Anzahl an Gebäuden, die in Folge des Krieges beschädigt wurden, ist das «Angebot» an potenziellen Fallen enorm gestiegen. So fanden unsere ukrainischen Kolleg*innen 2022 allein in der nordostukrainischen Stadt Charkiw 2’836 eingeschlossene Abendsegler. Rund ein Drittel verstarb noch vor dem Erreichen der örtlichen Fledermaus-Notpflegestation.

Ein weiteres Problem ist die direkte Zerstörung von Gebäuden mit winterschlafenden Tieren. Unglücklicherweiseeise fand ein besonders intensiver Beschuss von Charkiw gegen Ende der Winterschlafzeit statt und rund 45% der Gebäude mit Winterquartieren der Grossen Abendsegler sind unterdessen teilweise bis vollständig zerstört worden. Dies dürfte zur Tötung von hochgerechnet rund 7'000 Tieren geführt haben (Publikation)!

Doch der Krieg hat auch einen kleinen positiven Effekt auf die überlebenden Fledermäuse. Durch die stark reduzierte künstliche Beleuchtung dehnen die Tiere ihre Aktivitätsgebiet in Gebiete aus, die zuvor zu stark beleuchtet waren. Zudem führen unbewirtschaftete Grünräume (ungeschnittene Hecken, ungemähte Wiesen) zu einer höheren Insektendichte. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass das Durchschnittsgewicht der im Jahr 2022 gefundenen Abendsegler deutlich höher war als in den Jahren zuvor.

Falls sie unsere ukrainischen Kolleg*innen bei ihrer Arbeit zum Wohle der Fledermäuse unter schweren Bedingungen unterstützen möchten, können Sie hier spenden.